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13.05.2001 15:46:09
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Stern
,,Ich bin das Stinktier"
Der Politikwissenschaftler Norman Finkelstein hat mit seiner Anklage gegen
die HOLOCAUST-INDUSTRIE heftigen Streit ausgelöst. Jetzt erscheint seine
Polemik in Deutschland - und er stellt sich in Berlin der Diskussion. Vor seiner
Abreise sprach der stern mit dem Enfant terrible der New Yorker Juden
Schneeberge türmen sich auf den Straßen, die Gehsteige sind mit dick mit Eis
überzogen. Ich rutsche durch Brooklyn, in der Gravesend Neck Road, einer Straße mit
dem bizarren Namen "Nacken am Grabesende", haut es mich fast hin. Dieser Weg,
denke ich, passt gut zur Geschichte, die ich schreiben soll. Ein falscher Schritt, und
du fällst auf die Schnauze.
Ich bin auf dem Weg zu Norman Finkelstein, der Sätze sagt wie: "Der Jüdische
Weltkongress erpresst Deutschland, um mehr Geld in die eigene Tasche zu kriegen."
Oder: "Man muss dieser Bande von Feilschern, Betrügern und Gangstern dringend das
Handwerk legen."
SOLCHE AUSFÄLLE HÖRT MAN gelegentlich von unseren Neonazis und denkt mit
einem Seufzer: Was für Idioten. Diesmal ist es komplizierter, denn Norman G.
Finkelstein, 47, ist ein linker Jude. "Meine Holocaust-Beglaubigungsschreiben sind
makellos", sagt er. Seine Eltern haben erst das Warschauer Ghetto, dann die Lager
überlebt. Vater Zacharias war in Auschwitz, er trug die Nummer 128018 auf dem Arm
tätowiert, seine Mutter Maryla war in Majdanek. Alle übrigen Familienmitglieder wurden
ermordet. Nach dem Krieg zogen die Finkelsteins nach Brooklyn, hatten drei Söhne
und hielten sich mühsam über Wasser.
Sohn Norman wurde in Princeton Doktor der Politischen Wissenschaften und gehört
seit den 60er Jahren zur winzigen marxistischen Linken, einem Häuflein, das in den
USA keinerlei Einfluss hat. Als schlecht bezahlter Dozent am New Yorker Hunter
College lebt er nur unwesentlich über der Armutsgrenze. Er geht nicht aus, "ich sitze
allein zu Hause und lese und schreibe".
Der Vater bekam jeden Monat einen Scheck aus Deutschland, "ich erinnere mich an
einen blauen Umschlag aus Trier", rund 600 Dollar im Monat. Insgesamt waren es 250
000 Dollar, die ihm für eine Kopfverletzung zugestanden wurden, die er in Auschwitz
erlitten hatte. Seine Mutter erhielt nach dem Krieg eine einmalige Zahlung von 3500
Dollar. Weil sie Majdanek äußerlich unverletzt überstanden hatte, sollten weitere
Ansprüche aus dem Geld beglichen werden, das Deutschland für solche Fälle an die
"Conference on Jewish Material Claims against Germany" in New York überwies.
"Jahrelang hat sie Briefe geschrieben", sagt Finkelstein, "schließlich ist sie eines
qualvollen Todes gestorben, aber hat niemals einen Penny gesehen."
Der erfolglose Kampf um ihre Rente hat ihn verbittert, seine Augen füllen sich mit
Tränen, wenn er von den Eltern redet: "Ich war ihnen sehr, sehr nah, ich habe sie bis
zum Tod gepflegt. Heute bin ich es ihrer Würde schuldig, diesen Betrug aufzudecken,
der in ihrem Namen begangen wird. Es ist ja nicht nur meiner Mutter so gegangen,
sondern zahllosen Überlebenden. Ist es nicht niederschmetternd, dass sie der
deutschen Regierung mehr vertraut haben als ihren eigenen Leuten? Die Deutschen
haben pünktlich gezahlt, die Betrüger von der Claims Conference nie. Meine Mutter hat
sie gehasst."
Der ehemalige israelische Außenminister Abba Eban stichelte einst gegen die
jüdischen Organisationen in den USA: "There's no business like Shoah business."
Finkelstein dagegen attackiert sie mit solcher Wut, dass es oft schwer fällt, ihm zu
folgen. In seinem Buch "Die Holocaust-Industrie"* behauptet er, das
Holocaust-Gedenken sei von einer "Bande von Hochstaplern und Betrügern in den USA
gekidnappt worden".
Die Milliarden, "die man den Deutschen mit falschen Zahlen abgepresst" habe, seien
nicht an die Opfer weitergeleitet, sondern auf den Konten verschiedener jüdischer
Organisationen verschwunden. Jede Kritik daran werde mit der "Holocaust-Keule"
erschlagen und als Antisemitismus denunziert: "Aber mir können sie das nicht
anhängen, ich bin selber Jude. Deshalb hassen sie mich so: Ich bin das Stinktier auf
der Gartenparty."
ES SIND 200 SEITEN VOLLER GIFT und Galle, mehr herausgeschleudert als
geschrieben. Kein Wunder, dass sie genauso bittere Reaktionen hervorgerufen haben.
Finkelstein sei "voller Scheiße", sagt Elan Steinberg vom Jüdischen Weltkongress, der
in dem Buch massiv angegriffen wird. Elie Wiesel, den Finkelstein in beleidigender
Weise attackiert, will "den Herrn mit keiner Antwort ehren". Dem stern sagte er, er
finde es "sehr bedauernswert, dass sich ein seriöser deutscher Verlag findet, der das
Buch herausbringt". Autor Leon Wieseltier aus Washington hält ihn für einen
"widerlichen, sich selbst hassenden Juden". Die "New York Times" bezeichnete ihn als
"ideologischen Fanatiker".
Als "Hasstiraden eines Besessenen" kanzelte jener Historiker das Buch ab, auf den
Finkelstein sich besonders beruft - der Geschichtsprofessor Peter Novick von der Uni
Chicago. Die Aufmerksamkeit, die Finkelsteins Buch in Deutschland erregt habe,
entspreche "keineswegs seiner Rolle in der amerikanischen Debatte". Novick hat mit
"Nach dem Holocaust"** ein wissenschaftliches Werk zum Thema geschrieben (es
erscheint ebenfalls Anfang Februar bei uns), aber weil seine Thesen nicht krawallig
verpackt sind, werden sie nicht schrill diskutiert.
Nun steht mir Finkelstein freundlich lächelnd gegenüber, in einem dicken Pullover und
Jeans. Ein kräftiger, durchtrainierter Typ mit kantigem Schädel und warmen braunen
Augen. Man sieht ihm an, dass er jeden Tag Sport treibt. Seine kleine Wohnung ist
perfekt aufgeräumt, der Bücherschrank steht voller marxistischer Literatur, in der Küche
zwitschern zwei Wellensittiche. An der Wand hängen einige gerahmte Fotos seiner
Eltern und Brüder und ein Charlie-Chaplin-Poster. Auf dem Klavier thronen
Ehrendiplome, die er von palästinensischen Vereinigungen bekommen hat. Er
sympathisiert mit ihnen, doch ihren Führer Jassir Arafat hält er für einen "willfährigen
Alliierten der USA".
Im Haus und in der Nachbarschaft wohnen orthodoxe Juden, viele von ihnen sind aus
Osteuropa eingewandert. Kontakt zu ihnen hat er nicht: "Ich bin Atheist, ich weiß über
die jüdische Religion weniger als irgendein Katholik. Sie hat mich nie interessiert."
Finkelstein lässt sich in einen tiefen Sessel fallen und seufzt: "Manchmal denke ich, es
wäre besser gewesen, man hätte den Holocaust vergessen, als dass die
amerikanischen Juden ihn entdeckt hätten."
"Wer würde denn heute sonst noch darüber reden?"
Finkelstein lächelt mild: "Ach, Sie sind aber politisch korrekt! Ich glaube, man hat mich
in Deutschland vor allem deshalb so verrissen, weil alle Angst hatten, man würde sie
als Antisemiten beschimpfen, falls sie mir Recht gäben."
"Was hätten denn Ihre Eltern zu dem Buch gesagt? Hätten die nicht eher gesagt:
Geschieht den Deutschen recht, sollen sie doch zahlen, bis sie schwindlig werden!"
Finkelstein richtet sich in seinem Sessel wie eine Kobra auf: "Niemals. Sie hassten
zwar die Deutschen von ganzem Herzen. Aber sie fanden es widerlich, wie sich diese
Diebesbande hier die deutschen Gelder unter den Nagel gerissen hat."
"Sind jene Deutschen also Idioten, die - wie der stern - laut fordern, die Industrie soll
endlich die Zwangsarbeiter entschädigen, an denen sie einst verdient hat?"
"NEIN, ABER ES BELEIDIGT DIE OPFER, wenn diese Gelder bei irgendwelchen
Funktionären und Anwälten verschwinden. Meine Mutter bekam für vier Jahre Ghetto,
Arbeitslager und Konzentrationslager genauso viel wie D'Amato für zehn Stunden
Arbeit." (Der ehemalige republikanische Senator aus New York vertritt heute Klagen
gegen deutsche und österreichische Banken.) Anwalt Ed Fagan, der über 30000
jüdische Klienten gegen die Schweizer Banken vertrat, verlangt 640 Dollar pro Stunde:
"Genauso viel, wie ein Holocaust-Überlebender durchschnittlich pro Jahr bekommt."
Und der "Absahner Eagleburger (Ex-US-Außenminister, Red.) macht 300000 Dollar im
Jahr als Vorsitzender einer Kommission, die Versicherungspolicen untersucht".
Ich frage Finkelstein: "Haben Sie keine Angst, dass Sie den Neonazis Argumente
liefern?" Er lacht: "Lesen die Bücher? Nicht ich fördere den Antisemitismus, sondern
diese Betrüger. Schauen Sie sich doch diese gierigen Anwälte an! Wie Karikaturen aus
dem ,Stürmer`!"
"So reden unsere Nazis auch."
"Na und? Soll ich deswegen aufhören, die Wahrheit zu sagen?"
Finkelsteins hohe Stimme bekommt etwas Drohendes, Bellendes, wenn er über die
"Anführer des wahrscheinlich größten Beutezuges der Geschichte" schimpft. Sein
verletzender Ton und die maßlosen Attacken haben selbst jene abgestoßen, die ihm
im Grund zustimmen. "Er ist besessen, und er schwadroniert", schrieb der
"Economist", aber "sein Grundargument ist seriös". Der Münchner Professor Michael
Wolffsohn lässt kaum ein gutes Haar an ihm, gibt aber zu, das Buch sei "in seinem
Kern bedenkenswert". Der Historiker Julius Schoeps glaubt, Finkelstein gehe über "das
Erträgliche hinaus", dennoch sei "ein Kern Wahrheit vorhanden".
Andere jüdische Wissenschaftler gehen weiter. In der angesehenen New Yorker
Monatszeitschrift "First Things" schrieb der britische Historiker William Rubinstein: "Mir
fällt kein anderes Werk ein, das gleichzeitig so gut und so schlecht ist." Er hält vor
allem Finkelsteins Angriffe auf Israel für falsch, aber seine "mutigen Attacken auf
finanzielle Erpressungen durch Gruppen wie den Jüdischen Weltkongress sind äußerst
wichtig, und man hofft, dass sie Wirkung zeigen". Als Jude, der seine Angehörigen im
Holocaust verloren hat, hält auch Rubinstein es "für offen gesagt ekelhaft", wie die
"einmalige moralische Glaubwürdigkeit" des Holocaust benutzt werde, um "mehr Geld
von europäischen Regierungen zu erpressen".
Gabriel Schoenfeld, Autor bei der einflussreichen jüdischen Zeitschrift "Commentary",
hält das Buch für "wertlos" und die Thesen für "verrückt". Aber die Art und Weise, wie
die "organisierte jüdische Gemeinde hinter der letzten Mark her sei", ist auch in seinen
Augen ein "wachsender Skandal". Er kann nicht einsehen, dass die Überlebenden,
"diese gequälten Seelen", kein Geld bekommen, "derweil Millionen Dollar in den Bau
von Holocaust-Museen und Denkmälern in jeder Stadt und jedem Vorort in den USA
investiert werden".
Einer der angesehensten Holocaust-Forscher, der konservative Raul Hilberg, findet
sogar, Finkelstein habe "im Großen und Ganzen Recht. Vieles davon habe ich selber
gesagt".
"Warum sind Sie so nachsichtig mit uns Deutschen?", frage ich Finkelstein. "Wenn
man Ihr Buch liest, könnte man fast vergessen, dass es mein Volk war, das einmal
Ihres ausrotten wollte."
"Mein Volk, dein Volk - das sind Kategorien, in denen ich nicht denke", gibt er scharf
zurück, "die Deutschen haben ein Problem mit ihrer politischen Korrektheit. War es
nicht komisch, wie sie sich in der Daniel-Goldhagen-Diskussion an die Brust
geschlagen haben? - "Oh Danny, bitte schlag feste zu!` - Deutschland ist einfach noch
nicht zu Rande gekommen mit dieser Frage."
"Kennen Sie jemand, der das geschafft hat?"
Finkelstein: "Meine Mutter hat mir immer gesagt: ,Hitler hat das nicht erfunden. Die
Geschichte ist zugemüllt mit Verbrechen.` Meine Mutter war eine gebildete Frau, sie
war mit Hannah Arendt einer Meinung, die sagte, Eichmann sei nichts als ein
unbedeutender Bürokrat gewesen, der Befehle ausgeführt habe. Das Böse hat keine
Tiefe, hat meine Mutter gesagt. Sie hat sich immer geweigert, irgendetwas
Dämonisches, Kosmisches im Holocaust zu sehen. Sie sagte: ,Das Böse ist völlig
platt. Eichmann war der Staubsauger-Vertreter an der Tür.` Ich glaube, das stimmt."
"Aber das versuchen wir doch herauszufinden, warum die Staubsauger-Vertreter
Millionen Menschen ermorden konnten."
Finkelstein wird laut, seine Stimme bebt vor Entrüstung: "Darauf will ich nicht
einsteigen. Nur so viel: Seit 1990 sind genauso viele irakische Kinder durch Krieg und
US-Sanktionen getötet worden wie jüdische Kinder durch die Nazis: eine Million!
Kümmert sich irgendjemand um die? Gibt es irgendwo Proteste?"
BESONDERE "ABSCHEU" GILT seinen "scheinheiligen" Landsleuten: "Jetzt sind sie
sogar hinter den Polen her! Aber kein Mensch redet von den Millionen, die auf
US-Banken verschwunden sind und nie zurückgezahlt wurden." Den Chefunterhändler
in der Reparationsfrage, Ex-Vize-Finanzminister Stuart Eizenstat, hält er für einen
"Oberheuchler": "Der Herr erteilt gern anderen Ländern Lektionen wie: ,Die Rückgabe
von Eigentum ist oberste Priorität für die USA.` Lächerlich. Die US-Indianer warten
immer noch darauf. Haben die Schwarzen eine Entschädigung für die Sklaverei
bekommen?"
Er geht zum Bücherschrank und zieht einen Band heraus über Japan: "Hier mokiert
sich ein US-Diplomat, Japan sei unfähig, seiner Geschichte ins Gesicht zu schauen! -
Wer schaut ihr denn in den USA ins Gesicht? Wir schauen gern die deutsche
Geschichte an. Es gibt in Washington ein Holocaust-Museum, aber keines über die
Sklaverei. Was würden die Amerikaner sagen, wenn man in Berlin eins über die
Ausrottung der Indianer bauen würde?"
Er bringt mich zur Tür, in Coney Island gehen die Lichter an, von draußen kommt eisige
Luft herein. "Bald komme ich nach Deutschland", sagt er, "was mich dort wohl
erwartet?" - "Sie werden plötzlich ein paar Freunde haben", sage ich, "die vor sechzig
Jahren nicht gezögert hätten, Sie umzubringen." - "O mein Gott", sagt der Atheist, "mir
graut davor."
,,Eichmann war der Staubsauger-Vertreter"
*Norman Finkelstein: "Die Holocaust-Industrie - Wie das Leiden der Juden ausgebeutet
wird", Piper, 224 S., 38 Mark Das Buch erscheint am 7. Februar in Deutschland.
**Peter Novick: "Nach dem Holocaust. Der Umgang mit dem Massenmord", Deutsche
Verlags-Anstalt, 432 S., 44 Mark
Bildunterschrift: POLITISCH UNKORREKT Norman Finkelstein ist selbst Jude. Seine
Eltern haben in den Lagern von Auschwitz und Majdanek gelitten /
ERINNERUNGSKULTUR Das Holocaust-Museum in Washington ist eine von vielen
Gedenkstätten in den USA / EMPÖRT Elan Steinberg, Sprecher des jüdischen
Weltkongresses, und der Holocaust-Überlebende Nobelpreisträger Elie Wiesel /
Fotonachweis: JOHANNES KROEMER, DPA
- Re: Stern - Vadim 13.05.2001 15:58:21 (799 b)
- Pervod - Èëüÿ Ãðèãîðåíêî 13.05.2001 15:47:54 (8668 b)